Tief in den Regenwäldern von Sumatra und Borneo lebt eine Spezies, die uns Menschen in vielen Dingen ähnlich ist. Nicht umsonst werden diese faszinierenden Tiere auch Waldmenschen genannt. Die Rede ist vom Orang-Utan, einer Primatengattung aus der Familie der Menschenaffen.
In diesem Tutorial werden wir gemeinsam lernen, wie wir einen Orang-Utan zeichnen können. Für meine Zeichnung werde ich mit Bleistiften und Buntstiften arbeiten, Du kannst diesem Tutorial aber auch gerne mit anderen Mal- oder Zeichenutensilien folgen.
Um das Zeichenmotiv eines Orang-Utans besser zu verstehen, werfen wir zunächst einen Blick auf seine anatomischen Merkmale.
Die Anatomie des Orang-Utans ist perfekt an seine Lebensweise in den Bäumen angepasst. Seine Gliedmaßen sind besonders lang und kräftig, mit einer Spannweite von bis zu 2,25 Metern. Die Hände sind hakenförmig und langgestreckt, was ihnen einen sicheren Griff beim Klettern ermöglicht. Im Vergleich zu anderen Primaten ist der Daumen kurz und nahe an der Handwurzel positioniert. Die Füße ähneln eher Händen und sind ebenfalls an das Greifen von Ästen angepasst. Die Großzehe ist verkürzt wie der Daumen, während die anderen Zehen verlängert und gebogen sind.
Der Kopf eines Orang-Utans zeichnet sich durch einen hohen, gerundeten Schädel und eine vorspringende, gewölbte Schnauze aus. Die Augen sind klein und nah beieinander, während die Überaugenwülste im Vergleich zu anderen Menschenaffen weniger ausgeprägt sind. Männliche Orang-Utans entwickeln im Laufe ihres Lebens auffällige Wangenwülste, die ihnen einen markanten Ausdruck verleihen.
Die Zähne der Orang-Utans entsprechen der typischen Zahnformel von Altweltaffen: 32 Zähne, darunter große mittlere Schneidezähne und größere Eckzähne bei den Männchen im Vergleich zu den Weibchen. Die Backenzähne sind durch niedrige Zahnhöcker und eine stark gekräuselte Kaufläche gekennzeichnet, was ihnen hilft, hartschalige Nahrung effizient zu kauen.
Falls Du nicht mit Farben arbeiten möchtest, überspringe diesen Schritt gerne. Falls Du aber mit Buntstiften, Aquarellfarben oder anderen Farben arbeiten möchtest, dann empfehle ich Dir, die Farben immer vorab auf einem separaten Stück Papier zu testen. Es gibt nichts Ärgerlicheres, als auf einer perfekten Skizze die falsche Farbe aufzutragen und es zu spät zu bemerken.
Von links: Borneo-Orang-Utan, Sumatra-Orang-Utan, Tapanuli-Orang-Utan
Eric KilbyAiwokTim Laman, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Die drei Orang-Utan-Arten (Borneo, Sumatra und Tapanuli) unterscheiden sich u.a. optisch voneinander (mir als Laien wäre ohne Recherche vieles nicht aufgefallen): Der Borneo-Orang-Utan hat ein vergleichsweise dunkleres, rot-bräunliches Fell und stellenweise ist die allgemein dunkle Haut sehr hell. Das Fell des Sumatra-Orang-Utans hingegen ist heller im Vergleich zu den andern beiden Arten. Wähle also die passenden Farben entsprechend der Orang-Utan Art, die Du malen oder zeichnen möchtest.
Wenn Du wie ich mit Buntstiften arbeitest, empfehle ich immer von hell nach dunkel zu zeichnen und erst im letzten Schritt die Stellen mit Bleistiften auszuarbeiten. Auch bei Aquarellfarben solltest Du immer von hell nach dunkel arbeiten, allerdings solltest Du hier auch immer das Papier vollkommen trocken werden lassen zwischen dem Auftragen der einzelnen Farbschichten. Hast Du Dich für eine reine Bleistiftzeichnung entschieden, bediene Dich an einem breiten Spektrum verschiedener Härtegrade, um Deiner Zeichnung Tiefe zu verleihen.
Die besten Vorlagen findest Du entweder in Büchern oder online. Es gibt zahlreiche Fotografen, die grandiose Fotos von Orang-Utans gemacht haben. Ich finde eine tolle Vorlage für meine Zeichnung in einem Artikel über die Gemeinsamkeiten zwischen Orang-Utans und Menschen von National Geographic.
Beginnen wir damit, den Körper des Orang-Utans in groben Formen wiederzugeben. Hierfür können wir uns ein paar Grundformen zunutze machen. In meiner Skizze verwende ich beispielsweise Ovale, Kreise und sogar Dreiecke, um den Kopf, die Schultern oder den Bauch anzudeuten.
Diese grobe Skizze dient primär dazu, den Raum auf dem Papier einzuteilen. Die groben Formen lassen sich leicht radieren und so können wir in kürzester Zeit die Proportionen des Körpers anpassen oder unsere Bildkomposition verändern.
Im nächsten Schritt ergänzen wir unsere grobe Skizze um wichtige Details im Gesicht und auf dem Körper. Ich persönlich bemerke bereits hier, dass ich mir die Füße und Hände nicht so richtig zutraue, weswegen ich sie in einem späteren Schritt einfach verschwinden lassen werde.
Umso mehr konzentriere ich mich dafür auf die Details im Gesicht des Orang-Utans. Beachte, dass Du mit der Ausarbeitung der Details Einfluss darauf hast, wo das Auge des Betrachters in Deiner fertigen Zeichnung zuerst hinwandert. Gleichermaßen kannst Du Bereiche für den Betrachter uninteressant machen, indem Du sie weniger detailliert ausarbeitest.
Für die Füße und den Arm links im Bild bediene ich mich aber eines ganz einfachen Tricks, um sie verschwinden zu lassen: Ich verstecke sie hinter Blättern, schließlich befindet sich der Orang-Utan in einem Baum und das ist eine Gelegenheit, die ich nicht ungenutzt lassen möchte.
Die Blätter sehen vorerst noch ein wenig platt aus, aber in späteren Schritten können wir noch weiteres Blattwerk hinzufügen und durch den Einsatz verschiedener Grüntöne die Blätter dreidimensional wirken lassen.
Die Augen stellen die erste große Hürde für mich dar: Ich zeichne auf einem A4-Format und muss die Augen dementsprechend auf einer sehr kleinen Fläche zeichnen. Keiner meiner Anspitzer schafft es, die Minen spitz genug zu schneiden. Es gelingt mir aber, mit Sandpapier die Mine spitz genug zu feilen.
Die Augen eines Orang-Utans zeichnet man im Prinzip genauso wie menschliche Augen, mit dem Unterschied, dass der Augapfel des Orang-Utans dunkler ist.
Bist Du mit den Augen zufrieden, kannst Du Dich dem Bereich um die Augen herum widmen. Beginne mit einer farblichen Basis aus Orange, Rot, Braun sowie einem sehr hellen Hautton.
Viel wichtiger als die Farben ist jedoch die Struktur der Haut: Die Haut um die Augen herum ist von vielen Falten gezeichnet, die je nach Lichteinfall interessante Schatten werfen können. Ich schaue beim Zeichnen dieser Stelle daher immer wieder auf andere Fotos, auf denen der Kopf in hoher Auflösung abgebildet ist.
Verfeinere die Struktur mit Bleistiften. Ich nutze an dieser Stelle hauptsächlich einen 3H, um die Sättigung der Buntstifte zu trüben, feine Falten einzubauen. Mit einem 2B setze ich dunkle Schatten, um die Tiefe der Falten zu verstärken.
Nun wird es lustig! Wenn Du schon öfter mit Buntstiften gezeichnet hast, dann weißt Du sicher schon, dass dunkle Bereiche meist mit den kuriosesten Farbmischungen entstehen können. Das Gesicht des Orang-Utans in meiner Bildvorlage ist nicht wirklich einfach grau. Nach langem Betrachten erkenne ich dort einen leichten Lila und Blaustich unter der grauen Haut und nutze eben diese Farben als Basis für das Gesicht.
Anschließend zeichne ich wieder mit einem 2H und einem 2B Bleistift über die Stellen, um dem Gesicht des Orang-Utans eine verbesserte Struktur zu verleihen.
Bei der Nase des Orang-Utans müssen wir wie beim Zeichnen von menschlichen Nasen aufpassen, dass wir weder zu viel noch zu wenig machen.
Die Schnauze des Orang-Utan-Weibchens in meiner Vorlage ist im Vergleich zur restlichen Haut deutlich heller. Ich nutze hier also großflächig den hellen Buntstift als Basis.
Im Anschluss kommt wieder der 2H Bleistift zum Einsatz, um die Sättigung abzuschwächen und die Schnauze weniger bunt erscheinen zu lassen. Mit einem HB und 2B Bleistift kannst Du wunderbar auf dieser hellen Basis an den Schatten arbeiten, die sich auf den Lippen und am Kinn befinden.
Meinen Recherchen zufolge scheint jeder Orang-Utan einen grandiosen Geschmack in Sachen Frisur zu haben: Sie alle tragen einen ausgefransten Pony, der natürlich wild gestylt ist. In meiner Zeichnung nutze ich primär einen Rotton als Basis, wobei ich für das Fell direkt am Gesicht auf ein Orange umsteige.
Anschließend nehme ich einen Braunton und zeichne das gesamte Fell am Kopf nach. So entsteht der ideale Farbton für das Fell der Borneo-Orang-Utans.
Um der Kopfbehaarung Tiefe und eine klarere Struktur zu verleihen, greife ich wie gewohnt zu den Bleistiften.
Ist der Kopf geschafft, können wir uns nun dem Körper des Orang-Utans widmen. Das Vorgehen ist hierbei das gleiche wie beim Zeichnen des Kopfes: Lass uns mit den hellen Farben beginnen, und die Stellen der Haut zeichnen, die durch das teilweise schüttere Fell zu sehen sind.
Bevor ich mit dem Körper in meiner Zeichnung fortfahre, entscheide ich mich an dieser Stelle die Zeichnung um Blattwerk im Vordergrund zu ergänzen, um (meine) Problemzonen zu verstecken.
Weiter geht es mit dem Fell: Entscheide selbst, ob Du, wie ich, die einzelnen Farben nacheinander auf den gesamten Körper auftragen oder einzelne Stellen nacheinander fertig zeichnen möchtest. Hier gibt es kein Richtig oder Falsch.
Parallel zum Fell zeichne ich auch schon einige der angrenzenden Blätter. Dort, wo sich Fell und Blätter überlappen, sehe ich nämlich die Gefahr, mich später nicht mehr im Bild zurechtzufinden und versehentlich Stellen zu übermalen, die eigentlich für eine ganz andere Farbe gedacht waren.
Ist die Arbeit mit den Buntstiften getan, setze ich Schatten mit Bleistift. Diese sehen teilweise sehr dunkel aus, aber sobald das Bild einen Hintergrund hat, werden die Schatten natürlich und passend aussehen.
Befindet sich Dein Orang-Utan wie meiner in einem Baum mit vielen Blättern, dann wirst Du für diesen Abschnitt eine große Portion Geduld benötigen. Es dauert ganz schön lange, jedes einzelne Blatt detailliert zu zeichnen. Ich empfehle aber sich die Zeit zu nehmen, denn es wird sich am Ende der Zeichnung auszahlen.
Für die Baumrinde wähle ich ein dunkles Braun, um einen starken Kontrast zu den Blättern zu bilden. So wirken die Blätter gleich viel leuchtender. Achte hierbei aber darauf, sehr sauber zu arbeiten. Die Konturen der Blätter sollten deutlich und scharf bleiben.
Bist Du mit Deiner Zeichnung zufrieden und traust Dir keinen Hintergrund mehr zu, dann ist das völlig in Ordnung. Ein Hintergrund wirkt im ersten Moment abschreckend und kann je nach Bild auch eine ganze Menge Arbeit sein. Oft lohnt es sich aber, da Dein Bild so erst richtig an Tiefe und Raum gewinnt. Ich selbst drücke mich immer vor Hintergründen, mit dieser Zeichnung möchte ich mich aber selbst herausfordern.
Den Hintergrund zeichnen wir am besten verschwommen, denn wir wollen den Betrachter nicht von unserem Orang-Utan ablenken. Wir können uns dabei dennoch ein paar organische Formen ausdenken, die an Äste, Blätter und Büsche erinnern. Wechsle hierbei auch immer wieder zwischen hellen und dunklen Bereichen, um eine monochrome und unnatürliche Fläche zu vermeiden.
Wie ging es Dir beim Zeichnen? Ich war einerseits fokussiert darauf den Orang-Utan bestmöglich und realistisch festzuhalten, allerdings konnte ich nicht umhin, an all die Informationen zu denken, die ich während meiner Recherche über diese faszinierenden Geschöpfe erfahren hatte.
Die Population der drei übrig gebliebenen Orang-Utan Arten sinkt rapide und laut Tierschützer Robert Marc Lehmann drohen sie bereits in den nächsten 10 bis 15 Jahren vollkommen auszusterben. Grund hierfür ist primär die Zerstörung ihres Lebensraums durch den Menschen. Bei der Brandrodung beispielsweise fallen viele Orang-Utans den Flammen zum Opfer, auch wenn es einige wenige Muttertiere zum Preis ihres eigenen Lebens schaffen, ihre Jungen in Sicherheit zu bringen. Diese Jungtiere sind dann jedoch vollkommen auf sich alleine gestellt und haben ohne die Schule des Muttertieres enorm große Nachteile in der Natur zu überleben.
Ein paar Hobby-Zeichner werden diese Probleme nicht über Nacht lösen können, aber wir können unser Konsumverhalten anpassen und darauf achten, die Produkte nicht zu kaufen, für deren Herstellung der Lebensraum des Orang-Utans zerstört wird. Palmöl zum Beispiel ist ein solches Produkt.
Darüber hinaus kann man Tierschützer vor Ort mit Spenden unterstützen, die Orang-Utans mit verschiedenen Leidenswegen (Gefangenschaft, Jagd, illegaler Handel etc.) wieder die Rückkehr in die Natur ermöglichen. Hier sind zwei solcher Organisationen:
An dieser Stelle sei auch erwähnt, dass viele Zoos angeben, etwas für den Artenschutz vieler Tiere zu unternehmen. Letzten Endes gehören Zoos aber zu denen, die zahlreiche Tiere in winzige Gehege, Käfige oder Betonräume einsperren. Artgerecht ist nur die Freiheit.